Ein Bericht von Max Oswald

Fahrt nach Ardèche 2018

Reisegruppe: Maik Röhmhold, Lisa Hoffmann, Max Oswald, Thilo B., Patric Röhm, Adrian Borlan, Jonas Weiß, Christina Wuschick, Alex Lüder, Max Werner, Sebastian Vorberg

Zeitraum: 23.03. – 02.04.2018

"Ich habe jetzt 15 Karabiner, vier Bandschlingen, einen Seilschoner, das 60er Seil für den Schacht und ein 25er für die Röhre am Anfang eingepackt. Habe ich etwas vergessen?", frage ich wie so oft am Morgen Lisa. Ich vergesse schließlich immer irgendetwas. "Wenn ihr über die Traverse hoch in den oberen Bereich wollt, wäre ein 30er Seil zum direkten Abseilen in den großen Saal noch gut und vielleicht noch 4 Plaketten, da könnte es noch Umstiegsstellen geben." verbessert sie meine Packliste. Zwischen den noch im Morgentau tropfenden Hecken werden fleißig Schleifsäcke, Gummistiefel und Seile verpackt und über die geplanten Höhlen diskutiert. Es herrscht eine Mischung aus Hektik und allgemeiner Trägheit. Wer schon fertig ist, entspannt in der Sonne. Wer noch packen muss hetzt zwischen Zelt, Mietauto und kleinen Materialhaufen hin und her.

Das allmorgendliche Ritual zu Vorbereitung auf die heutige Befahrung spielt sich wie immer auf dem Zeltplatz von Camping de l'Ardèche im Südfranzösischen Vallon-Pont-d'Arc ab. Die traditionelle Fahrt der Gruppe um den Einseiltechnikkurs an der TU Dresden hat auch dieses Jahr wieder viele Neugierige angelockt. Mit zwei Autos haben wir uns dieses Jahr auf die 16 stündige Reise begeben. Zur Reisegruppe "Höhle" zählen dieses Jahr wieder höhlenerfahrene "alte Hasen" wie Thilo, Adrian und Patric, aber auch neue Gesichter aus dem Unikurs wie Jonas, Alex, Maximilian, Christina und Sebastian. Von HKD sind Maik, Lisa und Max mit von der Partie.

Der bekannte Steinbogen Pont-d'Arc über der Ardèche (Bild: Max W).

Nach der langen Fahrt und der morgendlichen Ankunft auf dem Zeltplatz sind wir alle zu erschöpft um heute noch in eine anstrengende Höhle einzufahren. Im Gegensatz zu der bisherigen Tradition wollen wir nicht zum geologischen Highlight, dem Felsbogen über der Ardèche, dem Pont-d'Arc, wandern, sondern zur Grotte de la Chaire. Da die meisten der Gruppe wenig Erfahrung mit Höhlenforschung haben, beschließen wir ein kleines Seminar zum Thema Vermessung in der kleinen Höhle abzuhalten. Kompass, Laserdisto, Hängezeug und Wäscheleinen, wir haben alles dafür dabei. Schnell sind die Grundlagen erklärt und Thilo und Adrian verschwinden im Dunkel der Höhle um den Hauptgang zu vermessen. Wer lieber nochmal die Seiltechnik üben möchte, hängt sich einfach in die Traverse über dem Mundloch. Die Höhle wird nicht zum ersten Mal zum "Üben" genutzt. Überall sind Spits, Laschen, Klebeanker und Gewindestifte in der Wand. Ein idealer Spielplatz für Freunde der Einseiltechnik. Also auch für uns. Da alle schnell müde sind, bleibt der Tag kurz und nach dem abendlichen Kochen verkriechen sich alle schnell in ihre Schlafsäcke.

Blick über die mäandernde Ardèche und die Karstregion (Bild: Christina).

Der neue Tag beginnt mit den üblichen Ritualen: Thilo und seine Kaltwasserjünger oder die, die es noch werden wollen laufen zur Ardèche um baden zu gehen. Da es März ist, ist das Wasser eher "frisch". Adrian läuft zum Bäcker nach Vallon und versorgt uns mit Baguette und Croissants. Um es für den ersten Tag ruhig angehen zu lassen, wollen wir als erste Höhle die Fontaine de la Champclose aufsuchen. Thilo, Lisa und ich kennen die Höhle bereits. Wir denken sie wäre ein guter Start für alle. Ein paar Tropfsteine, riesige Hallen, etwas Wasser und viel Platz um Nebengänge und kleine Schächte zu erkunden. Da der natürliche Zugäng eng und verbruchgefährdet ist, existiert ein künstlicher Zugang zur Höhle, der "stilecht" mit einem Gullideckel verschlossen ist. Wir fahren ein und schnell ist der beeindruckende Salle Mont-Blanc erreicht. Die Halle gleicht einer Kuppel mit einem Durchmesser von schätzungsweise 60 m. Die Wände wirken als ob ein Riese mit einem Messer in den Fels geschnitten hat, um die schöne Gesteinsschichtung freizulegen. Uns gruselt es etwas, wenn wir daran denken, aus welcher Höhe die großen Blöcke hier bis zum Boden fallen könnten. Namensgebend für den Raum ist der "Mont-Blanc" ein heller Berg aus versinterten Blöcken, der prächtig in der Raummitte steht.

Fontaine de la Champclose, Salle Mont-Blanc (Bild: Maik).

Nach einer Fotopause teilen wir uns auf. Ich möchte mit Lisa und Jonas die uns bisher unbekannten Schächte erkunden. Laut unseres Höhlenplans führen die Schächte nicht tief, erschließen aber ein weites Gangsystem. Die restliche Gruppe bricht zu einem Gang auf, der wieder in der Halle am Mont-Blanc endet. Das allerdings in einem Wasserfall in 20 m Höhe.

Wir finden das Gangsystem recht schnell und verstehen jetzt auch, weshalb es auf dem Plan so verwirrend aussieht. Es ist ein waschechter, enger Mäander mit zahlreichen abzweigenden Gängen. Nach 1,5 h treten wir den Rückweg an, wissend, dass wir hier beim nächsten Mal Orientierungshilfen brauchen. Unsere zweite Gruppe braucht länger, als wir erwartet haben und mit Erstaunen stellen wir fest, dass sie nicht in den Hauptsaal abseilen. Die Canyon-artigen Gänge, die bis zum Wasserfall verlaufen führen heute viel Wasser und die Bereitschaft nass zu werden war eher gering.

Fontaine de la Champclose (Bild: Maik).

Am nächsten Tag wollen wir auf das Plateau von Méjannes-le-Clap fahren. Dort kennen wir schon einige Schachthöhlen und wollen in drei kleinen Gruppen Höhlen aufsuchen. Lisa möchte mit Patric und Maik die Serre de Brus suchen. Thilo mit Adrian und Jonas die im letzten Jahr geklebten Anker in der Aven de l'EPMM prüfen und ich möchte Alex, Christina und Sebastian mit in die großartige Aven du Pebres nehmen. Auch wenn ich dort schon drei- oder viermal war, diese Höhle ist einfach schön. Ein gewundener Gang führt zu einem 30 m Schacht, der ideal ist um die Einseiltechnik in der Realität zu testen. Das sehen scheinbar nicht nur wir so. Der Schacht ist bereits mit Seilen eingebaut – wir sind heute also nicht allein. Dank der Klebehaken kann ich trotzdem unsere Seile recht entspannt einbauen. Am Fuß des Schachtes treffen wir auf die andere Gruppe. Es sind Franzosen, die scheinbar noch nie in einer Höhle waren und sich nun von einem Guide geführt hier hineingewagt haben. Wir kommen nur kurz ins Gespräch "ihr macht das hier ganz alleine, ohne Führer? wow!" und ziehen weiter in den Hauptsaal der Höhle. Dort angekommen kommen auch wir aus dem Staunen nicht heraus. Tropfsteine zwei bis vier Meter dick, die bis zur Decke in 20 Metern Höhe  reichen. Das sieht man nicht alle Tage.

Am tiefsten Punkt der Halle entdecken wir einen kleinen See, der mir neu vorkommt. Die Indizien verdichten sich, dass es dieses Jahr sehr nass ist – eine wichtige Information für uns um die nächsten Tage zu planen. Aus der Halle steigen wir an einem Fixseil weiter in den oberen Bereich der Halle auf. Nach einer technisch schwierigen Traverse stehen wir "unter" der Decke der großen Halle und erkunden die restliche Höhle. Um den Rückweg zu beschleunigen, seilen wir, wie von Lisa vorgeschlagen direkt in die Halle ab. Nur ich muss die Traverse auch rückzu benutzen, um das Seil abzubauen und die Plaketten einzusammeln – alles Training sage ich mir.

Memo 1 für 2019: Wir sollten hier mal ein neues Fixseil spenden!

Memo 2 für 2019: Statt des 30 m Seils besser ein 35 m Seil für die große Halle verwenden. Das war wirklich knapp.

Aven du Pebres, Grand Salle (Bild: Lisa).

Wieder unten angekommen treffen wir auf Lisa, Jonas und Adrian, die schneller fertig waren als gedacht und uns besuchen kommen. Sie haben gute und schlechte Nachrichten. Die von uns 2017 in der l'EPMM gesetzten Klebeanker sind fest und vertrauenswürdig. Das beruhigt, wir hatten etwas Zweifel, weil der Kartuschenklebstoff lange nicht abbinden wollte.

Spit in Serre de Brus (Bild: Lisa).

 

Aven du Loir (Bild: Maik).

Lisa hat jedoch an der Serre de Brus nur sehr rostige Spits gefunden, deren Innengewinde völlig unbrauchbar waren. Dafür haben sie der Aven du Loir mit ihrem kleinen See einen Besuch abgestattet.

Mittlerweile ist es schon Dienstag und wir bereiten uns auf die Aven du Combe Rajeau vor. Diese Höhle ist uns allen unbekannt und wir finden die Informationen dazu im "Speleo Sportive en Ardèche", einer Art Höhlenführer für den ambitionierten Höhlengänger. Mit über 11000 m erforschter Entwicklung ist es eine der wirklich großen Höhlen im Gebiet der Ardèche. Fasziniert von dieser Größe fahren wir zum beschriebenen Mundloch. Nach wenigen Minuten der Suche finden wir auf einer flachen Weide das Mundloch. Es ist verdächtig unscheinbar, für so eine große Höhle. Im Gegensatz zu sonst, gibt es hier keine großen Bäume oder Felsen, an denen man ein Seil zum Einfahren befestigen kann. Ganz wohl ist und dabei nicht, aber letztlich benutzen wir ein paar alte Äste als Querbalken über dem "Loch im Boden" und einen kleinen Baum als Hintersicherung.

Der kurze Schacht entpuppt sich als steil, aber abkletterbar. Ein Schild weist uns auf die vergangene Fledermausschutzzeit und die Bedeutsamkeit des Objekts als Winterquartier hin. Wir stellen schnell fest, dass die Höhle scheinbar nur im Sinne der Ganglänge "groß" ist. Um weiter zu gelangen, müssen wir die Gurte ausziehen und durch einen schmalen Schluf, in dem auch noch Wasser fließt. Die Höhle setzt sich eng und Canyon-artig fort. Wir haben das Gefühl die Gänge werden Stück für Stück größer. Demotiviert durch die beschwerliche Befahrung brechen einige Teilnehmer unserer Gruppe die Tour ab und treten den Rückweg an. Die Höhle ist tatsächlich voller kleiner und großer Hufeisennasen, wir müssen sehr sorgsam sein, keine zu berühren. Nach und nach wird unsere Gruppe kleiner, bis nur noch Lisa, Christina und ich übrig sind. Wir stoßen noch tiefer durch die Mäander der Höhle vor. Wirklich größer werden die Gänge leider nicht. Mit großem Respekt vor den Erforschern der Höhle treten wir nach einigen Stunden den Rückweg an. Das Biwak haben wir bei Weitem nicht erreicht.

Gruppenbild vor Einfahrt in den Aven du Combe Rajeau
v.l.n.r. Adrian, Lisa, Max, Maik, Patric, Thilo, Christina, Sebastian, Alex Bild: Christina

Aven du Combe Rajeau, Hufeisennasen-Cluster (Bild: Lisa).

Nach weiteren Befahrungen der beeindruckenden Aven du Neuf Gorges und der fledermausreichen Grotte de la Pascaloune am nächsten Tag beschließen wir das schöne Wetter zu nutzen und einen nicht-Höhlentag einzulegen. Bei nicht-Höhlenforschern ist die Ardèche vorallem für ihr Wildwasser, also zum Kajakfahren bekannt. Damit steht auch unser Plan fest: Paddeln. Thilo war hier schon mehrfach paddeln und beschließt mit Jonas und Patric in die Aven Armédia zu gehen. Die kennen sie alle drei noch nicht und wir versprechen ihnen dort viel Sinter und Excentriques zu finden.

Gruppenbild in der Aven du Neuf Gorges. v.l.n.r. Alex, Adrian, Sebastian, Lisa, Max (Bild: Lisa).


Das Paddeln war eine angenehme Abwechslung die viel Spaß gemacht hat. Zumindest dem Großteil der Gruppe. Bei Maik hat man sehr seine Affinität zum Tauchen gespürt. Er hat in der einen oder anderen Stromschnelle beschlossen, das Boot lieber zu verlassen. Oder hat das Boot ihn verlassen? Kurz: Alles ging gut aus und dank Kaffeepause zwischendurch waren alle wieder guter Dinge und wir konnten den Tag wie immer bei allerlei lokalen Getränkespezialitäten im Gemeinschaftszelt ausklingen lassen.

Paddeln auf der Ardèche. (Bild: Lisa).

Am Freitag will eine Gruppe die Aven du Marteau erkunden, in der es immerhin auf -113 m gehen- und einen schönen See geben soll. Leider spielt das Wetter nicht ganz mit und ein Gewitterschauer reduziert den Interessentenkreis mittels akuter "Durchnässung" auf Thilo, Patric, Sebastian und Max W.

Parallel bin ich mit Jonas, Christina und Lisa auf dem Weg zur Höhle Aven de la Buse. Auch diese Höhle kennen wir bereits. Vor drei Jahren sind wir das erste Mal in die, angeblich "weiße Höhle" eingefahren und kamen völlig verlehmt wieder aus ihr heraus. Bepackt mit, wie immer, viel zu großen und zu schweren Schleifsäcken, ziehen wir los und kämpfen uns schon bald irgendwie durch die engen Schlufe. Ein enger Schluf ist ja nichts wirklich Ungewöhnliches für uns, aber wenn man am Boden liegend durchs lehmige, eiskalte Wasser muss und dabei einen Schleifsack umwuchten muss... und sowas nennt sich "Urlaub".

Excentriques in der Aven de la Buse. Bild: Lisa

Zum Trost kommen wir an Becken voller Kristallen und Kammern mit wunderbaren Sinterfahnen vorbei. Unser Ziel ist der See am tiefsten Punkt der Höhle. Bis dorthin haben wir es das letzte Mal nicht geschafft. Dazu müssen wir in die große Halle, weiter durch eine weitere Engstelle bis zum Schacht mit der großen Traverse und zum Salle du Chat (Katzensaal) vom dem heraus wir zum See abseilen wollen.

In der Halle mit der Traverse sammeln wir uns wieder. Wollen wir diesmal am Fixseil aufsteigen, ins Réseau Supérieur? Es ist der angeblich schönste Teil der Höhle. Ich frage mich, wie man wohl Vertrauen in schon hängenden Fixseile und die Ankerpunkte gewinnen kann. Die anderen Fixpunkte waren hier als Klebehaken gesetzt. Eigentlich ein gutes Zeichen. Wenn wir da hoch wollen müssen wir weiter in diesen Schacht abseilen, uns mittig im Nichts hängend umbauen und auf der anderen Seite des Raums wieder aufsteigen. Von hier aus geht es 30 m in die Höhe, aber auch 30 m in die Tiefe. Das Seil sieht nicht schlecht aus und ein Schild am Beginn der Traverse verspricht, dass die Seile regelmäßig gewechselt werden. Leider ist man völlig lehmverschmiert wenn man dort ankommt und das Reseau ist wahrscheinlich relativ eng und sehr sauber mit viel Sinter. Mit einer Mörtelkelle sollen sich die Höhlenforscher die Stiefel säubern. Schwierig, wenn man völlig im Lehm steht. Wir beschließen dieses Mal nicht aufzusteigen und beim nächsten Versuch saubere Schuhe und
Handschuhe mitzunehmen, die wir dann oben anziehen können.

An der Traverse zögern wir wieder. Die muss natürlich jemand einbauen. 50 m horizontal um den Rand dieses tiefen Schlunds im schrägen Lehm? Auch das ist keine verlockende Aufgabe. Ich unterdrücke den Gedanken an unschöne Pendelstürze ins Seil und gebe mir einen Ruck. Du warst hier schonmal, du kennst das. Ich fange an einzubauen. In sächsischer Klettermanier geht es mehr oder weniger gut gesichert über den Lehm. Eine Schlinge hier an den Zacken, dort eine Sanduhr gefunden. Super. Wir erreichen den Katzensaal und stehen direkt vor bizarren Excentriques. Wir seilen weiter ab und sind nach 6,5 h endlich am Ziel, einem kleinen See mit einer Insel aus Sinter. Der Blick auf die Uhr verrät: Wir sollten umkehren. Trotz schnellem Aufstieg sind wir insgesamt zehn Stunden in der Höhle.

See mit Sinterinsel in der Aven de la Buse (Bild: Lisa).

Zum Abschluss unserer Fahrt besuchen wir am Ostersonntag den traditionellen Flohmarkt in Barjac. Neben allerlei Trödel können hier auch einige sehr alt wirkende Stücke erworben werden – Preis auf Nachfrage. Ob Säbel, Puppensammlung oder Edelholzschrank, hier scheint es alles zu geben. Nach einem Eis in der wärmenden Sonne Südfrankreichs starten wir unsere Rückfahrt Richtung Dresden.

 

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