Ein Bericht von Max Oswald

Sägistal Lager der ISAAK 2019

Ziel: Sägistal, Interlaken, Schweiz

Forschungsgruppe: Lisa Hoffmann, Max Oswald, Sven Fröhlich, Jörg Templin, Arne & Frank Pretzsch, Norbert Marwan, Rebecca Lawson, Thilo B.

Zeitraum: 03.08. – 09.08.2019

Nachdem wir schon mehrfach von verschiedenen Höhlenforschern zu den jährlichen Forschungscamps der Internationalen Speläologischen Arbeitsgruppe Alpiner Karst (ISAAK) ins Sägistal und zum Gstepf eingeladen wurden hat es 2019 nach dem Kontakt zu Norbert beim Zinselhöhlentreffen endlich geklappt auch wirklich daran teilzunehmen.

Über den Einseiltechnikkurs an der TU Dresden hatten wir schon von der lockeren Forschungsgruppe gehört und wussten, dass Frank und Norbert, dort recht aktiv sind. Da ein Forschungslager im alpinen Raum für uns neu ist und wir unsere Vor-vor-Vorgänger beim Unikurs gerne besser kennenlernen wollen, freuen wir uns und fiebern dem Camp entgegen. Da in Interlaken in diesem Jahr der nationale Höhlenforschungskongress der Schweiz stattfindet, wurde der Termin des Lagers so gewählt, dass ein anschließender Besuch möglich ist. Die Chance die Schweizer Höhlenforschung kennen zu lernen lassen wir uns natürlich nicht entgehen und melden uns auch dafür an.

Durch unseren Aufenthalt in der Schweiz haben Lisa und ich eine recht kurze Anreise und wir fahren nach einer Bergtour direkt weiter nach Interlaken, wo wir Norbert und Rebecca am Bahnhof abholen und mit ihnen in Richtung Grindelwald zum Oberläger fahren. Auch wenn es auf der einsamen Hütte am Sägistalsee noch deponierte Verpflegung geben soll, haben wir reichhaltigen Proviant gekauft, der nun allerdings 500 Höhenmeter auf den Sattel hoch und auf der anderen Seite wieder 400 hm nach unten zum See gebracht werden muss. Schwer bepackt mit Ausrüstung und Verpflegung für eine Woche treten wir daher den Fußmarsch zum Gasthaus Männdelen an. Es ist wirklich nicht das erste Mal, dass ich mit „viel“ Gepäck zu Fuß in den Bergen unterwegs bin, aber noch nie war mein Rucksack so schwer. Mit geschätzt 25 bis 30 kg schleichen wir den Berg hinauf und sind froh beim Gasthaus zumindest unsere Höhlenausrüstung deponieren zu können. Da wir am nächsten Tag in der Gegend um den Sattel nach Höhlen suchen wollen wäre es unsinnig alles immer wieder  hoch- und herunter zu tragen und die Depotlösung ist ideal.

Memo für das nächste Lager: Gurken (!) und so viele Gläser Leberwurst müssen vielleicht nicht sein.

An der Hütte am See angekommen werden wir von Fischern begrüßt, die als Teil der „Bergschaft“ in dem ausgebauten Teil auf der Hütte weilen. Unsere Schlafstatt wird für die nächsten Tage ein Teil des Stalls sein, in dem wir uns einrichten und die deponierten Dinge sichten. Neben Kochern, Benzin und allerlei Nützlichem gibt es sogar ein Solarpanel mit LED Lampe. Damit wird der Stall fast luxuriös eingerichtet. Mit typisch Schweizer Rösti und Suuremost (Apfelwein) klingt der Abend aus.

 

Am nächsten Tag treffen auch Kermit, Arne, Frank, Sven und Thilo ein. Sie sind schneller, als wir erwarten und so treffen wir sie nur knapp unterhalb des Gasthauses und nicht wie geplant unten am Parkplatz um ihnen etwas Gewicht abzunehmen. Nach einer Rast beginnen wir die Suche- und Erkundung von interessanten Objekten in der Nähe des Sattels. Den starken Schneefällen im Winter sei Dank ist das Einfahren in manche Spalte sehr unangenehm und so breche ich einen Versuch einer Schachterkundung nach 15 m ab. Ich mochte den Gedanken nicht, dass sich mein Seil immer weiter in den Schnee einschneidet und mein freigeschnittenes 20cm Schneeloch verschüttet während ich darunter am Seil hänge. Neben weiteren „Schneeproblemen“ gibt es nur kleine Objekte, die erkundet und mit wenigen Messzügen versehen werden.

Der Montag steht ganz im Zeichen der weiteren systematischen Erkundung des Karrenfeldes „Schränni“. Das Potential hier neue Höhlen zu finden scheint riesig. Das Gestein ist bilderbuchmäßig verkarstet und sieht aus wie von Riesen „aufgerissen“. Überall gehen Spalten in die Tiefe, mal mehr, mal mehr weniger breit. Unsere Suchkette wird schnell unordentlich, da mal hier mal dort jemand in einer Kluft steckt und nach einer Fortsetzung sucht oder gar gräbt. Trotzdem sind wir recht erfolgreich und entdecken einige Höhlen, die dank ungenauer GPS- oder ganz fehlender Koordinaten in den vergangenen Jahren unauffindbar waren sowie eine Hand voll neuer Objekte. Spannend wird es am Objekt D128. Es ist keine Neuentdeckung, aber es gibt bisher wenige Informationen dazu. Gurtzeug an, Helm auf und schon hänge ich am Ende eines 20 m Seils, dass zur Überraschung aller nicht lang genug ist. Im schrägen Schacht seile ich auch bis ans Ende des zweiten kurzen Seils. Ein Ende ist nicht in Sicht. Eine kurze Peilung mit dem DistoX zeigt: Der Schacht ist mindestens 43m tief. Leider haben wir kein langes Seil dabei und müssten auch mehrere Fixpunkte bohren um sicher weiter zu kommen, daher bleibt der Schacht ein Projekt für das nächste Mal. Wieder Übertage angekommen räumen Lisa, Kermit und ich noch zwei große Blöcke aus dem Eingangsbereich, was den Einstieg in den Schacht erleichtert.

Am Dienstag soll es für Kermit, Lisa und mich in die Höhle „L1“ gehen. Der Auftrag: eine Schuppe am „Idioteneinsatz“ zu entfernen um dort weiter zu kommen. Ohne weiter über den Namen dieses Ganges nachzudenken machen wir uns auf den Weg. Neben dem „Rittersaal“, steigen wir in die „Minen von Moria“ und zur „Kondenstropfenröhre“. Leider haben wir Schwierigkeiten den Abstieg in den Idioteneinsatz zu finden. Von Norbert und Frank hieß es, dass wir dort einfach herabsteigen müssten, die von uns identifizierte Abstiegsstelle entpuppt sich jedoch als bauchig überhängende 4 m Stufe, bei der sich selbst Kermit als guter sächsischer Kletterer das Zurückklettern ohne Seil nicht vorstellen kann. Unverrichteter Dinge fahren wir wieder aus und beeilen uns noch vor einem Gewitterguss wieder in der Hütte zu sein. Im „Oberländer“ sind Norbert, Rebecca, Sven und Thilo leider auch nicht erfolgreich. Hier war ein bereits eingebautes Seil zu kurz und der „Mosaikboden“ konnte nicht erreicht werden. Zur Entschädigung konnten immerhin sehr feine Gipskristalle und Cave Blisters bestaunt werden. Das Wetter kann sich leider nicht mehr zusammenreißen und ein alpentypischer Gewitterguss sorgt für tropfnasse Höhlenforscher.

Am Abend stellen uns Norbert und Frank das Höhlenspiel vor. Es ist eine Adaption eines Brettspiels französischer Höhlenforscher, die den Plan einer Höhle zum Spielfeld gemacht haben. Aufgabe: Die Höhle so weit wie möglich „erkunden“ aber rechtzeitig wieder draußen sein, bis die Akkus alle sind oder die Alarmzeit überschritten ist. Es war ein toller Abend, mit vielen „Steinschlag: du musst leider eine Runde aussetzen“ oder „Schlossern: Du musst dich hoch-spitten, setze drei Runden aus“ Aktionen und mehr oder weniger erfolgreichen Papierhöhlenforschern, die sich durch die „L1“ Höhle kämpfen. Nachdem der französische Rotwein alle wurde, konnten wir von dem erfahrenen Ardèche Besucher Frank den „blas-den-Weinschlauch-auf“ Trick lernen und weitere Milliliter gewinnen.

Das Wetter bleibt auch am nächsten Tag regnerisch und Rebecca, Lisa und ich fahren in einer Regenpause in das angeblich stets staubtrockene Alpvogtloch ein. Hier wollen wir den Mäander „Entschädigung“ vermessen und eine Fortsetzung der Höhle in dieser Richtung abklären. Wir merken recht schnell, dass die Höhle nach Regen eher einem großen Schlammloch gleicht und kommen dank der mäandrierenden Gänge nur langsam voran. Am Ziel angekommen, bilden wir ein kleines Vermessungs- und Fototeam und arbeiten unter Rebeccas fachkundigen Augen mit ihrem DistoX. Der Umgang mit dem Gerät ist einfach, das händische Zeichnen des Plans erfordert aber viel Übung. Hier muss ich noch mehr Erfahrung sammeln um schneller und sicherer zu werden. Wir können weitere 150 m Gang vermessen bis wir vor dem verschlossenen Ende knien. Wir treten den Rückweg an und bauen alles aus. Völlig verlehmt, nass und frierend fahren wir aus und sind glücklich, dass die Höhle damit zumindest „abgeschlossen“ ist.

 

An unserem letzten Tag im Sägistal teilen wir die Gruppe wieder auf. Frank, Arne und Jörg prüfen zwei weitere aussichtsreiche Objekte in der Nähe des Wanderwegs zum Gasthaus, der Rest fährt mit Norbert nochmal in die Oberländerhöhle ein. Leider kommen wir auch diesmal nicht bis zum Mosaikboden, da sich die Sicherung einer Schachtkaskade als schwierig herausstellt und Thilo und Norbert viele große und kleine Steine räumen müssen. Es wird spät und so gibt es zumindest für Lisa und mich noch den „Puderzuckergang“ zu bestaunen. Nachdem Sven kurz mit in der Höhle war ist auch er auf Erkundung gegangen und hat ein weiteres aussichtsreiches Objekt ganz in der Nähe – für das nächste Mal - gefunden. Am Abend besucht uns noch Silvain der Rinderhirte und wir haben einen schönen letzten Abend.

Wir schaffen es am Freitag den Stall zeitig wieder zum „Stall“ zurückzubauen und starten die Wanderung zurück zu den Autos. Nobert, Rebecca, Lisa und ich werden weiter nach Interlaken zum Kongress fahren, für die anderen geht es wieder zurück nach Hause. Es war eine spannende Woche.

Das nächste Forschungslager im Sägistal findet übrigens vom 08.08.2020 bis zum 16.08.2020 statt. Anmeldungen laufen über Norbert, ich kann diese aber gerne weiterreichen.

Tagung Sinterlaken - Interlaken

Als Tagungsort wurde in Interlaken eine Schule genutzt, die dank der Sommerferien auch Freitag schon liebevoll mit Plüschfledermäusen und Ausstellungs- und Verkaufsständen bestückt wurde. Wir quartieren uns ganz klassisch in einer Turnhalle ein und können den zahlreichen spannenden Vorträgen und Workshops während des Wochenendes beiwohnen. Ob zur Frage, welche Kommunikationsmittel in der Höhle am besten sind, wie sie gebaut werden können oder ob es ethisch und ökologisch vertretbar ist, Höhlen überhaupt zu befahren oder die Frage: Notdurft in der Höhle? - Es gab über so ziemlich alles einen Vortrag. Natürlich wurden viele Vorträge zum Thema aktuelle Forschung in der Schweiz und den Alpen gehalten: Status im Siebenhängstesystem, Wie viel Material liegt noch im Riesending, wie geht es dort weiter? Sägistal, Silberen, Wägital, Geltenbach, Hölloch...

Nebenbei gab es Wettbewerbe zum Höhlenplanzeichnen, mit meterlangen, bunten, detailreichsten Plänen, zu Fotografie in Höhlen und die SpeleOlympics, einen Parcours der es in sich hatte. Durch eine enge Röhre schlufen, ins Wasserbecken und den verlorenen Schleifsack (voll mit Steinen) einsammeln, dabei den Tropfstein nicht beschädigen, weiterschlufen, eine Schrägseilbahn nach oben steigen, „runterfahren wäre ja zu einfach“, eine luftige Traverse zwischen Bäumen absolvieren, abseilen und durch eine Zick-Zack-Engstellen-Schlufbox zum Ziel, alles auf Zeit. Rebecca als unglaublich fitte Höhlenforscherin hat es dabei sogar ins Finale geschafft. Ich war immerhin unter den besten 10 – damit war ich doch ziemlich zufrieden.

Da quasi alle namenhaften europäischen Höhlen-Händler oder Materialhersteller einen Stand aufgebaut hatten, konnten wir spannende Gespräche über neue Schlaze mit dem Chef von Aventure Vertical führen, unserer Bibliothek der Höhlenliteratur deutlich erweitern und so manche Kleinigkeit erstehen.

Neben unserer Woche im Sägistal konnten wir am Montag sogar noch an einer Exkursion ins CCC des Siebenhängstesystems teilnehmen. Auch wenn das Wetter uns nicht hold war, waren wir beeindruckt von der einzigartigen Konstellation der Höhle. Nach einem typisch sächsischen Einstieg in eine enge Sandstein Spalte und einer trockenen, schmalen Höhle, landen wir nach wenigen Minuten schlagartig im Kalk, haben tiefe Schächte und Wasserfälle vor uns, durch die es hindurch geht. Was für ein Erlebnis.

Der gesamte Kongress war sehr professionell und doch angenehm ungezwungen organisiert und auch die Abende bei Raclette und Schlaz-Modenschau toll umgesetzt. Einzig die Schweizer Spezialität den offiziellen Teil der Zeremonien in den Landessprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch) und Englisch zu halten, war etwas anstrengend, dank der vielen Internationalen Teilnehmer aber berechtigt.

Vielen Dank an die Kollegen der SGH Bern für die schönen Tage.

Zurück