Höhlentauchen im Lot

Die letzte Woche Juli bzw. erste Woche August 2023 war in unserem Kalender besonders hervorgehoben, denn in dieser Zeit wollten Maik, Alex und ich zum Land des Cid im nordspanischen Burgos fahren, um das Team des Schweizers Pedro Balordi beim Vorstoßversuch in das Pozo Azul mit unserer Wenigkeit zu verstärken.

Pozo Azul (span. für Blaues Loch), das als Mount Everest des Höhlentauchens gilt und seinen Namen der Klarheit seines Wassers verdankt, war aus noch nicht ganz geklärten Gründen seit Mitte Juli nicht mehr blau, sondern auf einmal tiefgrün. Derart schlechte Sichtverhältnisse gab es in Pozo Azul seit 19 Jahren nicht mehr. Ein Explorationsvorhaben schien komplett ausgeschlossen. Dennoch hatten wir die Hoffnung auf Besserung nicht komplett aufgegeben, aber am 22. Juli wurde klar, dass die Expedition schweren Herzens abgesagt bzw. aufs nächste Jahr verschoben werden musste.

Wir brauchten einen Plan B.

Ohne lange Überlegung entschieden wir uns, dahin zu fahren, wo Höhlentaucher aus ganz Europa sich regelmäßig treffen: das höhlenreiche Département Lot in Südfrankreich. Die meisten Ferienhäuser waren wegen der Schulferien schon ausgebucht und wir mussten uns mit einem Chalet in Marminiac, eine gute Stunde von den schöneren Höhlen entfernt, zufrieden geben. Die 1400km-Fahrt mit Anhänger dauerte eine Weile und obwohl wir am Donnerstag, den 27.7. um 5:30 Uhr starteten, sind wir erst 23:00 Uhr am Chalet angekommen.

Den Freitag haben wir Sachen wie der Ausrüstungsvorbereitung, dem Einkaufen von Lebensmitteln für die Woche und allgemeiner Planung gewidmet.

Am Samstag besuchten wir die Émergence du Ressel am Fluss Célé in der Nähe von Marcilhac-sur-Célé. Sie ist wohl die bekannteste und meistbesuchte Tauchhöhle Europas. Diesen Titel hat sie wohlverdient, denn die Ressel eignet sich hervorragend für das Höhlentauchen auf allen Niveaus. Anfänger finden eine flache, großräumige und gutmütige Höhle mit wenig Sediment oder Engstellen vor. Erfahrene Höhlentaucher können sich in den 5860m Passagen entlang von 6 Siphons mit Tiefen bis 80m richtig austoben.

Gegen 10:30 Uhr sind wir am großen Parkplatz der Ressel angekommen und nach der üblichen Schlepperei von Flaschen und Scootern konnten wir eine Stunde später abtauchen. Die Sichtweite war ok, aber milchig. Wir fuhren mit mittlerem Tempo und hinterließen Sicherheitsflaschen in der Galerie des blocs und im ersten Schacht. Wir fuhren weiter bis zum dritten T, ab dem noch Reste von Hasenmayers Stahldrahtleine zu finden sind. Das T stellte unseren Umkehrpunkt für den entspannten 100minütigen Tauchgang mit 55m maximaler Tiefe dar.

Am Sonntag wollten wir ein Stück weiter vorstoßen. Während Maik es bevorzugte eine Runde mit seinem Rennrad zu drehen, fuhr Alex und ich nochmal an die Ressel und wir wiederholten den Tauchgang vom Vortag. Diesmal nahmen wir die Abzweigung nach rechts am dritten T und fuhren weiter. Binnen einiger Minuten erreichten wir die Schere, die Hasenmayer im Jahr 1981 an dieser Stelle hinterließ und ein paar Minuten später waren wir am blauen Rohr, das jemand zum Wasserabsaugen eingebohrt hat, angekommen. An diesem Punkt drehten wir um. Der Tauchgang dauerte 156 Minuten mit einer maximalen Tiefe von 60m.

Am Montag haben wir die Landenouse angesteuert. Nach kurzem Verhandeln mit einer spanischen Gruppe wegen des Parkplatzes konnten wir eine Parklücke für uns sichern und dem Tauchgang stand nichts mehr im Wege. Unter sehr guten Sichtverhältnissen sind wir abgetaucht. Nach etwa 40 Minuten standen wir kurz vor dem tiefen Schacht. Maik, der kein Diluent für größere Tiefen hatte, wartete in 29m Tiefe während Alex und ich den Hang hinunter fuhren. In 60m war meine halbgefüllte Anzugflasche leer und ich warte an der Stelle bis Alex kurz die 75m Marke erreichte und umkehrte. Wir waren 127 Minuten unterwegs.

Der Dienstag war der Tag unseres größten Tauchgangs. Wir sind gegen 10:30 Uhr an der Ressel angekommen. Es hat geregnet und wir waren die einzigen auf dem Parkplatz. Ein seltener Anblick.

Die Verhältnisse in der Höhle waren unverändert. Wir fuhren mit den Scootern über die Galerie de blocs, nahmen die obere Passage und fuhren weiter bis in die tiefere Zone. Ab dann gaben wir ordentlich Gas, um die Dekozeit kleinstmöglich zu halten. Nach etwa 45 Minuten Tauchzeit sind wir am unteren Ende der imposanten Puit Hasenmayer in einer Tiefe von 77m angekommen. Leine gab es hier keine mehr, es war aber nicht schwer, den oberen Gang in etwa 43m zu finden. Dort gab es wieder Leine und wir fingen mit der Deko an. Die 80 Minuten Dekompressionspflicht vergingen schnell und wir konnten endlich im Lac Isler, 1,85km vom Eingang entfernt, auftauchen und die trockene Passage erkunden, die im Lac T endet. Diese Passage wird nicht ohne Grund die CO2-Promenade genannt, denn dort herrscht eine CO2-Konzentration von 4,6 bis 4,8%. Vor Ort war es gar nicht so schlimm. Wir haben uns wohl gefühlt. Nur bei der späteren Auswertung des Videomaterials merkten wir, wie schnell wir geatmet hatten. Die CO2-Promenade weist faszinierende Verkarstungserscheinungen und Lehmformationen auf. Es gibt sogar einige Stalaktiten, die ich in der Ressel für unmöglich gehalten habe. Nachdem wir den Lac T erreichten und genügend Filmmaterial hatten, war es an der Zeit, die Rückfahrt anzutreten.

Wir sind fast den gleichen Weg zurück gefahren, am vorletzten T haben wir aber die untere Passage genommen, da diese ein für die Dekostopps günstigeres Profil bietet. Da wir die tiefsten Passagen diesmal ein Stück schneller als bei der Hinfahrt gescootert sind, ergab sich am Ende eine ähnliche Tauchzeit wie auf dem Hinweg. Nach 140 Minuten tauchten unsere Köpfe über den Célé auf. Wir sind insgesamt 4,5 Stunden in der Höhle gewesen. Maik, der inzwischen seine 100km-Rennradrunde gefahren ist, wartete schon auf uns und nahm uns Flaschen und Scooter ab. Das Grinsen konnten wir uns nach so einem erstklassigen Tauchgang nicht verkneifen. Anschließen fuhren wir weiter nach Espédaillac, um uns mit Pedro Balordi, Günter Faul und den anderen zu treffen. Unterwegs holten wir eine Flasche Wein für Günter, der an dem Tag Geburtstag hatte. Life was good.

Am Mittwoch legten wir eine Tauchpause ein. Ursprünglich wollten wir die Höhle Œil de la Doue ohne Tauchgerät befahren, Pedro warnte uns aber den Tag zuvor, dass der Wasserpegel dafür zu hoch wäre. Stattdessen sind wir zur Grotte des Baireaux bei Cabrerets gefahren. Vor Ort angekommen, verweigerte uns der Landbesitzer den Zutritt, weil bereits andere Gruppen für den Tag angemeldet wären. Um den Tag zu retten, fiel uns ein, die Tauchhöhlen im unmittelbaren Umkreis auszukundschaften. So sind wir zuerst nach Dragonnière und danach zur Emergence d'Anglanat gefahren, wo wir uns mit den Gegebenheiten vertraut machten. Auf dem Rückweg hielten wir bei der Fontaine de la Pescalerie an. Maik und Alex kannten diese Höhle noch nicht. Eine Familie mit Kindern hatte das Haus gemietet und war vor Ort. Sie waren so freundlich, uns die Kontaktdaten des Besitzers zu geben, der uns nach ein paar SMS die Erlaubnis für einen Tauchgang am nächsten Tag erteilte.

Die Fontaine de la Pescalerie ist eine Tauchhöhle besonderer Art. Der Eingang am Berghang hinter der Ruine einer alten Mühle mit einem dazugehörigen Wasserfall stellt ein idyllisches Fotomotiv dar. Das Besondere an dieser Höhle liegt aber darin, dass sie eine der wenigen Tauchhöhlen im Lot ist, die mit Tropfsteinen dekoriert ist. Auch die delikaten Lehmformationen an den Wänden sind in dieser Region nur selten zu finden. Vor einem aufgeregten Publikum bestehend aus Kindern, Eltern und Hausbesitzern tauchten wir am Donnerstag kurz nach 11 Uhr im Becken der Mühle ab. Wir waren sehr vorsichtig, keinen Schaden mit den Flossen oder dem Tauchgerät anzurichten und konnten die Tauchstrecken und Auftauchstellen weitgehend erkunden, bis es zu eng für unsere dicken Rebreather wurde. Es war ein besonderer Abschluss für unseren schönen Ausflug.

Am Freitag sind wir zurück gefahren und gegen Mitternacht wieder in Dresden angekommen.