Kellerberg Rochsburg
Lutz Hennig: Zum Phänomen der „Kellerberge“
Unterirdische Kelleranlagen, in der Region auch „Höhler“ genannt, gibt es in viele Orten Sachsens, die ihren Entstehungszeitraum spätestens im 13. Jahrhundert haben. Bekanntere und teilweise auch begehbare befinden sich beispielsweise in Penig oder auch in Lommatzsch. Sind sie auch in den vergangenen Jahrhunderten durchaus als Lager- und Wirtschaftskeller genutzt worden, so scheinen sie doch in engem Zusammenhang mit der Entstehung der Orte zu stehen und teilweise den 12. oder 13 Jahrhundert zu entstammen.
Allerdings sind die ursprüngliche Nutzung und der Zweck ihrer Anlage noch im Unklaren. Oftmals liegen sie auch außerhalb jeglicher, auch historischer, Bebauung, wie in Rochsburg oder Penig. die Deutungsversuche reichen von den schon erwähnten Wirtschaftszwecken über Anlagen als Zuflucht bei kriegerischen Ereignissen bis zu religiösen Vermutungen als Ort für die Seelen der Verstorbenen. Diese These ist besonders in Süddeutschland verbreitet, wo es in fast jedem Ort derartige Anlagen gibt. Dort werden sie Erdställe genannt. Es kann gut sein, dass die fränkischen Siedler im Mittelalter diese Tradition aus ihrere Heimat mitbrachten und diese Anlagen in gleichem Zuge anlegten wie ihre Ortschaft. Gegraben sind sie meist im Erdboden, oder wie im Fall von Rochsburg in der gut bearbeitbaren Verwitterungsschicht des anstehenden Gesteins. Die Wände sind in aller Regel sehr fein geglättet, wie es für einfache Kelleranlagen oder gar Zufluchtsstätten nicht notwendig gewesen wäre. Allen gemeinsam ist die Fundarmut in ihnen, die eine Datierung zuließe und das völlige Schweigen schriftlicher Quellen zu ihrer Entstehung. Bis heute gibt es keine übergreifende Forschung zum Phänomen der Kellerberge in Mittel- und Westsachsen, den Erdställen im Süden Deutschlands und einem eventuell gemeinsamen Entstehungszusammenhang.
Bernd Wutzig: Exkursionsbericht
Dauerregen mit Schneeflockenanteil - bei diesem ungemütlichen Wetter treffen wir uns gegen 9:00 Uhr mit Lutz Hennig auf dem Parkplatz Schloss Rochsburg. Während wir unsere Bafahrungssachen unter einem Schleppdach anlegen, informiert er uns zur Thematik mittelalterlicher Kelleranlagen/“Erdställe“, außerdem hat er die Kopie eines Lageplanes der hiesigen Kellerberggänge aus den 1930er Jahren dabei. In der 1930er Jahren sollten die Keller für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Über den damaligen Zustand der Anlage und den Umfang der Erschließungsarbeiten liegen bisher keine Aufzeichnungen außer diesem Lageplan vor.
Lageplanes der Kellerberggänge aus den 1930er Jahren.
Die historische Kelleranlage im Ort Rochsburg liegt im oberen Hangbereich des zur Zwickauer Mulde hin abfallenden Geländes. Das mit einer Holztür verschlossene Eingangsgewölbe an der Südwestseite der Anlage wurde in Bruchsteinmauerung ausgeführt.
Aufgefahren wurde das Ganglabyrinth im oberflächennahen, verwitterten Granulit und Gneis. Es erstreckt sich in einem Niveau unter einer Fläche etwa 30 mal 30 Metern mit einem leichten Gefälle Richtung Nordost. Gut sichtbare Bearbeitungsspuren von Spitzhaue/Spitzeisen an den Kellerwänden zeugen von exakter bergmännischer Arbeit, ebenso die zahlreichen in den Fels gespitzten, kleinen „Geleuchtnischen“.
Detail Felswand mit Schrammspuren vom Bergeisen und „Geleuchtnische“.
Die mit Bogenprofil aufgefahrenen Kellerstollen haben durchschnittlich eine Höhe von 1,60 - 1,80 m und 1,40 m Breite. Manche Kammern haben kleine Durchbrüche zum Nachbarraum und an einigen Gangabzweigungen befinden sich ausgespitzte Türanschläge.
Einzige von uns vorgefundene Einmeißelung im Objekt.
Die in Ziegelmauerung ausgeführten Türanschläge, Mauerecken und Gewölbebögen könnten im Zuge der Erschließungsarbeiten in den 1930er Jahren gebaut worden sein. Ebenso eine Frage an die Bauarchäologen: wurde das romanische Türgewände aus Rochlitzer Porphyrtuff als Spolie verbaut? Im wenige Meter vom Eingang nach rechts abzweigenden Raum mit einer Länge von 3,00 m, Breite von 1,90 m und Höhe von 1,70 m, befindet sich eine umlaufende, mit Porphyrtuffplatten belegte Steinbank.
Türgewände aus Rochlitzer Porphyrtuff.
Der verwitterte, hellgraue Granulit und der gebänderte Gneis zeigen durch Materialausfällungen eine ocker-rotbraune Patina und auf Kluft- und Ausbruchsflächen zum Teil einen ockerfarbigen, tonigen Belag.
In einigen Teilen des Objektes neigt der Fels zu Verbruch. In einem relativ frischen Hochbruch finden wir kleine, „nestartige“ Hohlformen im Gestein, deren Entstehung uns noch ein Rätsel ist.
Blick in das eingangsnahe Gewölbe mit umlaufender Steinbank.
Nur an einem Gangende im Objekt findet man farbigen Wandsinter und Minitropfröhrchen. Die gesamte Streckensohle bedeckt lehmiger Gesteinsgrus und stellenweise Verbruchmasse. In einigen Bereichen zeigen Wasserstandsmarken 0,20 - 0,50 m über Stollensohle episodischen Wasserzutritt an. Während unserer heutigen Befahrung der Kellerberggänge fertigen wir eine Fotodokumentation an.
Felsstruktur mit Mineralausfällungen und kleinen, „nestartigen“ Hohlformen.
Zum Abgleich mit dem historischen Lageplan, der sicher präzise aufgenommen wurde, legen wir einen Messzug (Freiberger Hängezeug, 360°) vom Eingang bis zum Ende des leicht
gebogenen Hauptganges Richtung Ost. Diese Distanz beträgt 29.00 m.
Blick in einen typischen Kellergang.
Ein in den Hauptgängen ausgelegtes Textilband, mit Neonfarbe markierte Messpunkte und Reste von neuzeitlichen Fackeln sind Indizien dafür, dass wir nicht die einzigen Besucher sind.
Gangkreuz mit Wasserstandsmarke flach über der Sohle.
Gegen 14:00 Uhr beenden wir dann unsere Kellererkundung. Seemann und Kermit haben uns schon gegen Mittag Richtung Aurora Erbstolln im Weißeritztal verlassen, um mit den dortigen Bergfreunden das 30-jährige Bestehen ihres Vereins zu begehen. Bevor wir, Lutz nach Meißen, Christoph nach Braunschweig, Alvaro und ich nach Dresden fahren, kehren wir noch zum Aufwärmen und auf ein gutes Essen im hiesigen „Gartencafe Schievelbein“ ein.
Glück auf!
Wir sollen lächeln - meint Fotograf Alvaro!